Vorstellungsgespräch vorbereiten klingt für dich wie eine lästige Pflichtübung? Dein Bauchgefühl funktioniert doch bisher ganz gut? Dann gehörst du vermutlich zu den 44% der Unternehmen, die laut der Hays-Studie keine festen Kriterien für die Bewerberauswahl haben. Kein Wunder, dass dann die passenden Kandidaten nicht gefunden werden.
„Mein Kollege fragt, wie ich Vorstellungsgespräche vorbereite. Ich sage: ‚Ich bin ein Profi – ich habe sogar eine Checkliste für die Checkliste!‘ Er antwortet: ‚Ah, ich sehe, du hast die Perfektionismus-Spirale erreicht. Willkommen im Club – wir treffen uns jeden Donnerstag zur Selbsthilfegruppe.'“
Dieser Guide zeigt dir, wie du Vorstellungsgespräche professionell vorbereitest und durchführst – ohne HR-Floskeln und theoretischen Bullshit, dafür mit nachweislich besseren Ergebnissen.
Die entscheidende Bedeutung professioneller Personalauswahl
Die harte Wahrheit: Die Personalauswahl ist eine der wichtigsten Entscheidungen, die du als Führungskraft triffst. Eine Fehlbesetzung hat massive Auswirkungen auf deine Kosten, die Innovationsfähigkeit deines Teams und letztlich deinen eigenen Erfolg.
Die erschreckenden Fakten aus der Hays-Studie mit 166 befragten Unternehmen zeigen:
- 44% der Unternehmen haben keine festen Kriterien für die Bewerberauswahl
- Zu den größten Herausforderungen gehören die Auswahl der richtigen Rekrutierungskanäle, die Gewinnung von Fach- und Führungskräften und die Identifikation der passenden Kandidaten
Anforderungsprofil professionell erstellen
Ohne klares Anforderungsprofil ist selbst das bestgeführte Vorstellungsgespräch wertlos. Die Qualität deiner Personalentscheidung ist maximal so gut wie dein Anforderungsprofil.
Die Critical Incident Technique: Dein Schlüssel zum perfekten Anforderungsprofil
Statt vage Wunschlisten zu erstellen, nutze die wissenschaftlich fundierte Critical Incident Technique. So gehst du vor:
- Team zusammenstellen: Hole aktuellen Stelleninhaber (falls vorhanden), Linienverantwortlichen, HR, Teammitglied und ggf. einen „Kunden“ ins Boot.
- Anforderungsprofil-Matrix erstellen:
Beschreibung von erfolgskritischen und wichtigen Aufgaben | Beschreibung von besonders erfolgreichen Verhaltensweisen | Anforderungskriterien | Kann- oder Muss-Kriterium |
Erfasse hier alle wichtigen Aufgaben für die Position | Beschreibe, wie diese Aufgaben idealerweise erledigt werden | Welche Kompetenzen sind dafür nötig? | Entscheide: Muss- oder Kann-Kriterium? |
- Matrix gemeinsam ausfüllen:
- Spalte 1: Alle wichtigen Aufgaben der Position (fokussiere auf erfolgskritische Tätigkeiten)
- Spalte 2: Wie diese Aufgaben idealerweise erledigt werden sollten
- Spalte 3: Welche Kompetenzen dafür nötig sind
- Spalte 4: Unterscheidung in Kann- und Muss-Kriterien
Praxis-Tipp: Beschränke dich auf maximal 10 Muss-Kriterien. Bei mehr wirst du kaum geeignete Kandidaten finden und die Prüfung im Gespräch wird unrealistisch.
Beispiel eines Anforderungsprofils für einen Verkäufer
Kritische und wichtige Situationen | Besonders erfolgreiches Verhalten | Anforderungskriterien | Kann- oder Muss-Kriterien |
Kontaktaufnahme | – Freundliches, positives und souveränes Auftreten- Nutzt Gesprächsaufhänger- Hält Blickkontakt- Kann Smalltalk | – Kontaktfähigkeit- Kommunikationsfähigkeit | Muss-Kriterium |
Bedarfsanalyse | – Stellt Vertiefungsfragen- Nimmt sich Zeit- Fasst immer wieder zusammen und sichert sich ab- Macht deutlich, weshalb eine genaue Problemanalyse notwendig ist- Ist neugierig | – Hat Einfühlungsvermögen und ist geduldig- Ist strukturiert und systematisch- Flexibilität | Alle Kann-Kriterien |
Achte darauf, dass dein Anforderungsprofil mindestens ein Muss-Kriterium aus jedem dieser drei Bereiche enthält:
- Ausbildung und Erfahrungen: Schulabschluss, Berufsausbildung, Studium, Berufserfahrung
- Spezialkenntnisse und Fachwissen: EDV-Kenntnisse, Branchenkenntnisse, spezielle Fertigkeiten
- Persönlichkeitsmerkmale: Rhetorik, Kreativität, Lernbereitschaft, Zuverlässigkeit, Kontaktfähigkeit
Vorstellungsgespräch vorbereiten – deine effiziente Vorauswahl
Ziel der Analyse von Bewerbungsunterlagen ist nicht eine vollständige Beurteilung des Kandidaten, sondern eine effiziente Vorauswahl für Gespräche. Betrachte Bewerbungsunterlagen als erste Arbeitsprobe – sie zeigen, wie sich der Bewerber selbst einschätzt und präsentieren kann.
Dein Ziel der Analyse der Bewerbungsunterlagen ist, sich einen ersten Eindruck über die Bewerber zu verschaffen, um eine Entscheidung treffen zu können, wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird und wer nicht. Nur darum geht es in dieser Phase.
Die Bewerbungsunterlagen sind als eine erste Arbeitsprobe des Bewerbers zu verstehen. Hier zeigt er/sie, wie er/sie sich selbst einschätzt und in welcher Qualität er/sie sich präsentieren kann. Allgemein kannst du davon ausgehen, dass ein Bewerber, der Interesse an einer Stelle hat, sich von seiner besten Seite zeigt und durch die Bewerbungsunterlagen sein persönliches Höchstmaß an Qualitätsanforderungen, denen er gerecht werden will oder kann, demonstriert.
Bewerbungsunterlagen analysieren
Neben den inhaltlichen Informationen lassen sich aus den Unterlagen erste Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen:
Anhaltspunkte | Bedeutung |
Darstellung der Bewerbungsunterlagen | Sorgfalt |
Schreibstil | Schriftlicher Ausdruck und Übersichtlichkeit |
Inhalt | Selbstbewusstsein, Zielorientierung |
Lebenslauf | Kontinuität der Entwicklungsphasen, fachliche Qualifikation |
Das Bewerbungsschreiben beurteilen
Das Bewerbungsschreiben sollte erkennbar ein Unikat sein (keine Kopie) und sollte darüber hinaus eine persönliche Note besitzen. Vielen Bewerbern ist scheinbar nicht bewusst, wie viele wichtige Informationen sie hier in kurzer Form von sich preisgeben.
Im Anschreiben erhältst du in kurzer Form die wichtigsten Informationen über einen Bewerber. Hier zeigen Bewerber, weshalb sie sich bewerben, was der Grund für die Bewerbung ist, über welchen Wortschatz sie verfügen und ob das Schreiben klar und einfach strukturiert ist. Du selbst bekommst auch ein Gefühl dafür, wie viel Zeit und Mühe sich Bewerber für diese wichtige Entscheidung genommen haben.
Ein qualitativ hochwertiges Bewerbungsschreiben sollte:
- Erkennbar ein Unikat sein (keine Standardvorlage)
- Eine persönliche Note besitzen
- Klar und strukturiert sein
- Konkret auf das Anforderungsprofil in der Stellenanzeige eingehen
Konnotation erkennen Zu erkennen ist dies an der Vollständigkeit des Anschreibens, aber auch daran, wie ausführlich und klar der Bewerber auf das Anforderungsprofil in der Stellenanzeige eingeht, indem er deutlich macht, warum gerade er/sie für die Stelle geeignet ist.
Positives Beispiel: „Aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung im Bereich XY und regelmäßiger Qualifizierungsmaßnahmen bin ich überzeugt, dass ich Ihren Erwartungen, besonders im Umgang mit Kunden, der Angebotserstellung und dem Verfolgen von Terminen gerecht werde.“
Negatives Beispiel: „Aufgrund meiner Berufserfahrung bin ich mir sicher, Ihren Anforderungen gerecht zu werden.“ (zu allgemein, keine konkreten Bezüge, allgemeine Floskeln)
Aussagekraft von Arbeitszeugnissen beim Vorstellungsgespräch vorbereiten
Die unbequeme Wahrheit: Arbeitszeugnisse haben heutzutage kaum noch Aussagekraft. Auf deutsche Schulnoten übertragen, gibt es in der Praxis keine Arbeitszeugnisse mit einer schlechteren Bewertung als „2-3“. In der Regel sind die Angaben über die beruflichen Tätigkeiten weitgehend korrekt, aber fast alle Aussagen über persönliche Eigenschaften (Softskills) sind geschönt.
Tipp: Achte vor allem auf die Schlussformulierung, die rechtlich nicht einklagbar ist:
Positive Schlussformulierungen:
- „Wir danken für die stets sehr gute und exzellente Arbeit“ (Verstärkung mit drei Adjektiven = Note 1)
- „Wir danken für die stets gute Mitarbeit.“ (Verstärkung mit zwei Adjektiven = Note 2)
- „Wir danken für seine gute Mitarbeit.“ (Verstärkung mit einem Adjektiv = Note 3)
- „Wir bedauern das Ausscheiden von Frau/Herr Maier und wünschen ihr/ihm für die Zukunft beruflich und privat alles Gute.“
Fazit: Konzentriere dich bei der Vorauswahl auf die Übereinstimmung zwischen deinem fachlichen Anforderungsprofil und der fachlichen Qualifikation bzw. den bisherigen Tätigkeiten der Bewerber. Die Prüfung der persönlichen Eignung erfolgt dann im Vorstellungsgespräch.
Mache dir nochmals bewusst, dass es bei der Vorauswahl nur um die Prüfung der fachlichen Kompetenz geht. Die Prüfung der persönlichen Eignung geschieht im Vorstellungsgespräch.
Ob du eine/n Bewerber/in zum Gespräch einladest, hängt von der Übereinstimmung Ihres fachlichen Anforderungsprofils und der fachlichen Qualifikation bzw. den bisherigen Tätigkeiten der Bewerber ab. Ist diese Übereinstimmung für dich ausreichend, dann lade den Kandidaten ein.
Da sich der Auswahlprozess aufgrund der oft geringen Bewerberzahl über längere Zeit hinziehen kann, lade den ersten geeigneten Kandidaten zum Gespräch ein.
Neuer Mitarbeiter oder Aufgaben neu verteilen?
Sollten Probleme bei der Erstellung eines klaren Anforderungsprofils auftauchen, kann dies auch auf eine ganz andere „Baustelle“ hinweisen: Vor der Erstellung des Anforderungsprofils gilt es, deine Prozesse zu überdenken und ggf. zu überprüfen, ob eine veränderte Aufgabenverteilung unter den Mitarbeitern sinnvoll ist.
Manchmal ist die Lösung nicht die Einstellung eines neuen Mitarbeiters, sondern eine Neuorganisation der vorhandenen Ressourcen. Eine saubere Prozessanalyse kann dir helfen, diese Entscheidung fundiert zu treffen und unnötige Rekrutierungskosten zu vermeiden.
Die Messlatte anpassen
Sicher ist die Messlatte der Bewertungskriterien bei einfachen Tätigkeiten niedriger anzusetzen als bei hochqualifizierten Fach- oder Führungskräften. Trotzdem ist es für jeden heute möglich, auch ohne erheblichen finanziellen Aufwand Informationen darüber einzuholen, wie eine Bewerbung zu schreiben ist. Damit ist es jedem möglich, einem Mindeststandard zu entsprechen, was Sauberkeit und Form anbelangt.
Anhand der Unterlagen lässt sich eine Aussage darüber treffen, wer die Anforderungskriterien (fachliche Qualifikation) erfüllt und wer nicht – wer also auf Grund seines Werdeganges und der Qualität der Unterlagen zum Betrieb passen könnte.
Teste dich
Hast du bereits ein konkretes Anforderungsprofil erarbeitet?
Halte in der Vorlage alle wichtigen Aufgaben zur entsprechenden Stelle fest. Erfasse, was genau und wie der Mitarbeiter die Aufgabe idealerweise erledigt. Welche Kompetenzen benötigt der Mitarbeiter, um die erfasste Aufgabe zu erledigen?
Willst du wissen, wie du im Interview erkennst, ob der Kandidat die notwendigen Kompetenzen erfüllt? Dann starte jetzt mit der professionellen Vorbereitung deines nächsten Vorstellungsgesprächs.
FAQ beim Vorstellungsgespräch vorbereiten
Wie viele Personen sollten am Erstellungsprozess des Anforderungsprofils beteiligt sein?
Idealerweise erstellst du das Anforderungsprofil in einem Team aus 3-5 Personen. Dazu gehören der aktuelle Stelleninhaber (falls vorhanden), der Linienverantwortliche, ein HR-Vertreter, ein Teammitglied und ggf. ein interner oder externer „Kunde“ der Position. Diese verschiedenen Perspektiven sorgen für ein realistisches und umfassendes Anforderungsprofil.
Ist es sinnvoll, vor der Erstellung eines Anforderungsprofils bestehende Prozesse zu überprüfen?
Absolut. Schwierigkeiten bei der Erstellung eines klaren Anforderungsprofils können auf tieferliegende Organisationsprobleme hindeuten. Überprüfe vorab, ob eine veränderte Aufgabenverteilung unter bestehenden Mitarbeitern sinnvoller wäre als eine Neueinstellung. Manchmal ist die Optimierung bestehender Prozesse effektiver als die Suche nach dem perfekten Kandidaten.
Wie aussagekräftig sind Arbeitszeugnisse wirklich?
Arbeitszeugnisse haben heutzutage nur noch begrenzte Aussagekraft. Da sie häufig (zumindest im Entwurf) vom Arbeitnehmer selbst geschrieben werden, enthalten sie kaum negative Bewertungen. Achte primär auf die beschriebenen Tätigkeiten und die Schlussformulierung. Für die Beurteilung persönlicher Eigenschaften und Kompetenzen ist das strukturierte Interview deutlich zuverlässiger
Wie viele Muss-Kriterien sollte ein Anforderungsprofil maximal enthalten?
Als Faustregel sollte ein Anforderungsprofil nicht mehr als 10 Muss-Kriterien enthalten. Jedes Muss-Kriterium bedeutet, dass ein ansonsten passender Bewerber abgelehnt wird, wenn er dieses eine Kriterium nicht erfüllt. Zudem ist es zeitlich kaum möglich, mehr als 10 Muss-Kriterien im Vorstellungsgespräch gründlich zu prüfen.
Sollte ich Kandidaten sofort zum Gespräch einladen, wenn sie die fachlichen Anforderungen erfüllen?
Ja, in der aktuellen Arbeitsmarktsituation ist es ratsam, geeignete Kandidaten zeitnah zum Gespräch einzuladen. Da sich der Auswahlprozess aufgrund der oft geringen Bewerberzahl über längere Zeit hinziehen kann, solltest du den ersten geeigneten Kandidaten direkt einladen, anstatt auf eine kritische Masse an Bewerbungen zu warten.
Fazit Vorstellungsgespräch vorbereiten: Der Unterschied zwischen mittelmäßiger und professioneller Personalauswahl
Die Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen ist keine optionale Fleißaufgabe, sondern ein entscheidender Erfolgsfaktor. Mit einem systematischen Ansatz zur Erstellung von Anforderungsprofilen und einer strukturierten Analyse der Bewerbungsunterlagen legst du das Fundament für erfolgreichere Personalentscheidungen.
Die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst:
- Ein präzises Anforderungsprofil ist die Basis – nutze die Critical Incident Technique
- Balance zwischen Muss- und Kann-Kriterien finden – max. 10 Muss-Kriterien definieren
- Bewerbungsunterlagen als erste Arbeitsprobe verstehen – auf Sorgfalt und Individualität achten
- Arbeitszeugnisse kritisch lesen – auf Tätigkeitsbeschreibungen und Schlussformulierungen konzentrieren
- Schnell handeln – passende Kandidaten zeitnah zum Gespräch einladen
Zeige uns deine Erfolge beim Vorstellungsgespräch vorbereiten
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Es gibt zwei Arten von Führungskräften: Die, die noch einen weiteren Obstkorb bestellen, und die, die unseren Newsletter lesen.
Mein Therapeut nennt das „ungewöhnliche Prioritätenschärfe mit ausgeprägter Aversion gegen Zeitverschwendung“
P.S.: Wenn du beim nächsten Vorstellungsgespräch wieder zwischen „Mein Bauchgefühl sagt ja“ und „Aber passt er/sie wirklich ins Team?“ schwankst – entspann dich. Es gibt einen systematischeren Weg. Du weißt, wo du ihn findest.