3.1 Typische Probleme & Lösungen

Es geschieht Unvorhergesehenes?

Ein Projekt ist nie in seinem gesamten Verlauf vorhersehbar, jedoch bis zu einem bestimmten Maße gestalt- und beeinflussbar. Projekte unterliegen grundsätzlich einem typischen Ablauf, der durch die Besonderheiten der jeweiligen Ausgangssituation und des Kontextes sowie möglicher – ungeplanter – Ereignisse im Verlauf beeinflusst wird. Das können äußere Faktoren sein, wie z. B. negative Berichterstattung in der Presse, oder unternehmensinterne, etwa ein Vorstandswechsel. Das Auftreten solcher Faktoren ist eher der Regelfall als die Ausnahme. Sie benötigen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Anpassungsfähigkeit, um die sich verändernden Rahmenbedingungen möglichst schnell zur Kenntnis zu nehmen und flexibel zu berücksichtigen. Ergreifen Sie in regelmäßigen Abständen Maßnahmen zur Überprüfung von Status und Fortschritt (siehe 2.8. Monitoring und Evaluation sicherstellen) und passen Sie den Plan entsprechend an. Denn er ist nicht statisch – dazu sind Projektverläufe zu variabel bzw. durch parallel verlaufende Change Projekte oft zu vielen Wechselwirkungen ausgesetzt. Der Plan dient vielmehr als Grundlage und muss sich flexibel einsetzen und variieren lassen.

Zu viele oder zu wenige Maßnahmen?

Der Umgang mit dem Change-Anlass und seinen spezifischen Anforderungen ist jedes Mal eine Art Expedition: Die neue Normalität besteht in stets komplexer werdenden Herausforderungen. Diese in ihren Wechselwirkungen zu begleiten, erfordert Expertise und Erfahrung. Dabei ist die Gefahr einer Überreizung (zu viele) genauso hoch wie die einer potenziellen Ohnmacht (zu wenige). Initiative-Strain und Engagement Gaps sind zunehmend Alltag. Deshalb müssen Sie den Veränderungsprozess flexibel und nachhaltig begleiten und Interventionen auswählen, die dem Anlass und den Rahmenbedingungen entsprechen, also verhältnisgemäß und wohldosiert sind. Investieren Sie in eine detaillierte Bestandsanalyse, um ein klares Bild davon zu bekommen, was angemessen und notwendig ist. Ihre Einstellung, die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit Ihrer Absichten und Handlungen sind entscheidend. Stellen Sie eine enge Einbindung der Entscheidungsträger sicher, damit das Change Programm von diesen glaubwürdig mitgetragen und unterstützt wird. Überprüfen Sie im Projektverlauf regelmäßig, wo Sie stehen – und justieren Sie ggf. nach.

Widerstände und Konflikte?

Im Zuge der Projektarbeit sind Widerstände und Konflikte die Regel – nicht die Ausnahme. Sie gehören zu jeder Veränderung und sollen auch unter positiven Aspekten gesehen werden: Sie können Ausgangspunkt oder auch Ursache für Veränderungen sowie ein Medium für die Lösungsfindung sein. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen unterschwelligen, verdeckten Behinderungen (Widerstand) und offen ausgetragenen Auseinandersetzungen (Konflikt). Ermitteln Sie auf Basis einer differenzierten Analyse von Einstellung und Einfluss der Zielgruppen ein Verständnis der Ausgangssituation und entwickeln Sie entsprechende Maßnahmen. Grundsätzlich gilt es, die Unterstützer für die eigenen Ziele zu nutzen, die Zögerer zu bewegen und die Gegner zu neutralisieren sowie über den Projektverlauf für stabile Mehrheiten zu sorgen. Da sich die Einstellungen im Projektverlauf verändern können, verfolgen Sie die Entwicklungen aufmerksam und passen Sie die Maßnahmen entsprechend an (siehe 2.4 Zielgruppen identifizieren). Wenn etwa der permanente Veränderungsdruck Erschöpfung verursacht, braucht es eine (sinnstiftende) Vorstellung, für die es sich lohnt, mehr Energie als üblich aufzubringen.

Führungs- oder Spezialistenaufgabe?

Im Vorfeld stellt sich die Frage: Wer soll das Projekt begleiten – Inhouse Experten oder externe Berater, Führungskraft oder Change Manager? Die Beantwortung dieser Frage ist abhängig vom Reifegrad der Organisation hinsichtlich der Erfahrung im Umgang mit Veränderungsprozessen. Change ist ein Kraftakt, der Überzeugungsarbeit und -täter mit Ausdauer, Hartnäckigkeit und Einfühlungsvermögen in unterschiedlichen Rollen braucht. Sorgen Sie dafür, dass die Verantwortung nicht einseitig delegiert ist, sondern den Herausforderungen mit vereinten Kräften begegnet wird. Wenn im Unternehmen die Erfahrung fehlt, kann und sollte externe Unterstützung eingeholt werden. Stellen Sie dabei einen Wissenstransfer sicher, um intern Kompetenzen für die Zukunft aufzubauen. 

Change Management vs. Changeability?

“Change will change.“ Die Welt, in der wir leben, ändert sich. Und das schnell – sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Anforderungen. Das Change Management ist ebenso unbeständig und passt sich den verändernden Herausforderungen an, so dass sich das klassische oder gar dogmatische Change Management Verständnis überholt hat. Wenn es kein business as usual gibt, gibt es auch kein change (management) as usual. Es geht immer weniger um das eigentliche Managen der Veränderungen, da Komplexität und Geschwindigkeit vielfach (zu) hohe Anforderungen an eine gemanagte Steuerung stellen. Da die neuen Konstanten kontinuierliche Verbesserung und Veränderung sind und under construction der Alltag ist, geht es darum, Situationspotenziale zu nutzen und organisatorische Agilität zu stärken. Unser bisheriges Change Management Verständnis muss zugunsten der Förderung organisatorischer Veränderungsfähigkeit abgewandelt werden. Das bedeutet, dass ein wesentlicher Beitrag des zukünftigen Change Management darin besteht, Unternehmen in ihrer Veränderungsfähigkeit – ihrer Changeability – zu stärken und diese als relevante Schlüsselkompetenz zu etablieren.