2.5. Verhaltensweisen und Motive von Interessenten richtig einschätzen

Zu selten stellen sich Entscheider die Frage nach den aktuellen Motiven und Verhaltensweisen von Interessenten. Sie bleiben oft noch im alten Denken verhaftet: Suchen sie einen neuen Mitarbeiter, sind für sie alle die sich melden Bewerber, die den Job haben wollen und – sollten sie eine Zusage bekommen – das Angebot natürlich umgehend annehmen. In den Gesprächen verstehen sich diese Entscheider oftmals als „Auswahlinstanz“: Sie befragen Bewerber, sagen, was in der Firma Sache ist („Gleitzeit machen wir nicht und Überstunden werden hier nicht bezahlt“). Danach wählen sie den Bewerber aus, den sie wollen. Sagt solch ein Bewerber ab, sind diese Entscheider baff erstaunt und fragen: „Warum hat der sich denn dann überhaupt hier beworben?“ 

Genau diese Frage hätten man vorab dem Interessenten stellen sollen. Das geht allerdings nicht auf die primitive Art „Warum bewerben Sie sich gerade bei uns?“ oder noch schlimmer „So, Sie wollen also wechseln?“. So kann man vielleicht noch mit Absolventen umgehen, aber nicht mit Leistungsträgern. 

Besser: 

  • Was an unserer Stellenanzeige hat Sie motiviert, sich zu melden?
  • Was bedeutet für Sie eine Verbesserung?
  • Was muss gegeben sein, damit…
  • Ist das im jetzigen Unternehmen nicht zu erreichen?

Eine schlecht geschriebene Stellenanzeige, die am Ende fragt „Interessiert? Dann senden Sie Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen….“ dürfte auch lediglich Job-Sucher ansprechen. Nicht aber die gewünschten Leistungsträger. Diese „ticken“ schlichtweg nicht so, dass sie einer solchen Aufforderung willfährig folgen. 

Professionals

  • …wollen diskret Kontakt aufnehmen, weshalb sie nicht einfach ihre Unterlagen versenden und sich somit als „Jobsucher“ zu erkennen geben. 
  • …wollen Informationen, bevor sie selbst agieren. Sie wollen beurteilen können, ob es überhaupt sinnvoll ist, Unterlagen zu verschicken. 
  • …wollen diese Informationen sofort und nicht erst nach einigen Wochen.
  • …wollen auf Augenhöhe kommunizieren, wollen einen Ansprechpartner im Unternehmen haben und nicht anonym an eine Personalabteilung verwiesen werden.

Es ist heute also unerlässlich, die Suche aktiv danach auszurichten, wie die jeweilige Zielperson tickt.

Für Sie bedeutet das:

  • Machen Sie den Interessenten die Kontaktaufnahme mit Ihnen so leicht wie möglich. Statt vorab komplette Unterlagen zu verlangen, sollten Sie Interessenten die telefonische Erreichbarkeit anbieten. Seien Sie dann aber auch erreichbar – und nicht fortwährend in Meetings, Schulungen etc.!
  • Bieten Sie zusätzlich einen Weg zur Kontaktaufnahme außerhalb der Arbeitszeiten. Vielleicht kann die Zielperson während der Arbeitszeit nicht diskret telefonieren. Dies kann z. B. eine eigene Email-Adresse speziell für Interessenten sein, noch besser ist die telefonische Erreichbarkeit.
  • Bei fachlichen, aber auch anderen Fragen: Seien Sie aussagefähig und -freudig! Der Interessent muss einen positiven Eindruck auch von Ihnen als Person haben. Es soll schließlich Freude machen, mit bzw. bei Ihnen zu arbeiten. 
  • Begegnen Sie Interessenten auf Augenhöhe, indem Sie:
    • deren Fragen ernst nehmen und gerne beantworten
    • deren Fragen die gleiche Zeit einräumen wie Ihren Fragen
    • einen Dialog führen und kein Verhör
    • positive Signale senden, wann immer möglich und gerechtfertigt
    • klare statt vage Aussagen treffen 
    • ein konkretes weiteres Vorgehen zusagen
  • Fragen Sie nach den Motiven und Beweggründen der Kontaktaufnahme. Anhand der Antworten können Sie in späteren Vorstellungsgesprächen diese Punkte bzw. Erwartungen thematisieren und ggf. erfüllen.