Warum brauche ich Vertrauen? Dazu drei Thesen [4]:
Gegenseitiges Vertrauen ist wichtiger als Motivation, weil Motivation ohne Vertrauen nicht entstehen kann.
Eine solide Vertrauensbasis zu Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten ist die Grundbedingung für eine robuste wie täglich tragfähige Führungssituation.
Vertrauen ermöglicht es, kompetente Mitarbeiter langfristig zu binden: Ohne Vertrauen ist keine Autonomie möglich. Und erst autonomes Arbeiten auf ein definiertes Ziel hin schafft die notwendige Voraussetzung für gute Resultate.
Vertrauen ist eine erlernbare Kompetenz. Es handelt sich allerdings um kein „blindes Vertrauen“, denn es kalkuliert ein, dass Menschen auch entgegen getroffener Vereinbarungen oder gar verantwortungslos handeln können. Aktives Vertrauen ist somit „akzeptierte Verwundbarkeit“: Der Vertrauende macht sich bewusst abhängig von der Autonomie und Freiheit seiner Mitarbeiter, ohne deren Zustimmung es kein Vertrauen geben kann. Der Grad des Vertrauens kann nicht immer gleich hoch sein. Er ist vielmehr abhängig von der Situation und dem damit verbundenen Risiko, der Akzeptanz innerhalb der jeweiligen Organisation und der Bereitschaft der Handelnden, einerseits Vertrauen zu schenken und andererseits Verantwortung zu übernehmen. Es bedarf also einer gesunden Urteilskraft, um in einer spezifischen Situation den angemessenen Grad an Vertrauen zu bestimmen.
Vertrauen als Gratwanderung (vgl. dazu Sprenger, Vertrauen führt, 2007, 70ff.)
Durchdenken Sie folgende Leitfragen und notieren Sie Ihre Ergebnisse wieder schriftlich:
Gehen Sie mit Ihrem Vertrauen so weit wie möglich? Wenn Sie eher eine Person mit hohem Kontrollbedürfnis sind, was benötigen Sie dann konkret, um Ihr Vertrauen in Ihre Mannschaft erweitern zu können? Reicht z. B. ein kurzer Wochenbericht aus, um sichergehen zu können, dass eine durch Sie delegierte Arbeit tatsächlich die qualitativ richtigen Ergebnisse erreicht hat? Kontrollieren Sie jedes Arbeitsergebnis Ihrer Mitarbeiter (und verbrauchen dadurch enorm viel Zeit) oder kontrollieren Sie anhand von Stichproben?
Stellen Sie sicher, dass ein Vertrauensbruch unausweichlich Konsequenzen hat und dass diese Konsequenzen bekannt sind? Haben Sie es beispielsweise in Ihrer Abteilung mit einem (zu) hohen Spesenvolumen zu tun, dann können Sie kommunizieren, dass die Spesenabrechnung von einigen, per Zufallsprinzip ausgewählten Mitarbeitern zeitnah geprüft wird. Wird dann ein bewusster Spesenbetrug nachgewiesen, dann führt dies zur Trennung zwischen Mitarbeiter und Firma.
Setzen Sie diese Konsequenzen durch und informieren Sie Ihre Mitarbeiter darüber? Z. B. kann eine Nachricht folgendermaßen lauten: „Während einer routinemäßigen Spesenüberprüfung wurde bei einem Mitarbeiter (keine Namensnennung!) bewusster Spesenbetrug nachgewiesen. Deshalb haben wir uns von diesem Mitarbeiter getrennt.“
Wie gehen Sie mit Ihren eigenen Führungsfehlern um? Neigen Sie zur Suche nach einem Sündenbock? Wenn Sie Ihre Kollegen oder Mitarbeiter als Sündenbock vorschieben, verdorrt jedes noch so zarte Vertrauen. Die Fehler Ihrer Mannschaft sind Ihre Fehler, nach oben zum Chef und gegenüber Ihren Kollegen. Schließlich haben Sie diese Fehler zugelassen und sind nicht frühzeitig darauf aufmerksam geworden. Innerhalb Ihres Teams müssen Sie diese Fehler dagegen klar adressieren – und vereinbaren, wie sie sich in Zukunft vermeiden lassen.
Gehören erzielte Erfolge (auch) Ihren Kollegen und Ihren Mitarbeitern? Wenn Sie Menschen führen, sprechen Sie bei Erfolgen im Plural „Wir haben dieses Projektziel erreicht…!“ – damit setzen Sie einen weiteren Baustein namens „Vertrauen“.
Ist Ihr „Ja“ ein „Ja“ und ein „Nein“ ein „Nein“? Handeln Sie so, wie Sie reden? Wenn ja, verhalten Sie sich konsistent und nachvollziehbar – ein weiterer Vertrauens-Baustein. Müssen Sie aufgrund nachvollziehbarer Umstände Ihre Auffassung zu einem Thema ändern, so begründen Sie dies – statt sich bei Ihren Mitarbeitern auf die Kunst des Gedankenlesens zu verlassen. Das ist kein inkonsistentes Verhalten, sondern ein Prozess des Lernens und des Anpassens an sich immerzu ändernde Umgebungsvariablen. Die Welt ist nun einmal nicht Schwarz oder Weiß, sondern bunt.
Formulieren Sie nun Maßnahmen und Verhaltensweisen, die Sie für das Prinzip „Gegenseitiges Vertrauen“ für wichtig erachten. Z. B.: „Ich vereinbare mit meinen erfahrenen Mitarbeitern Wochenberichte, in denen die Ergebnisse und nicht die Tätigkeiten stehen. Stündliches Nachfragen nach dem Projektstatus via E-Mail und Telefon stelle ich ab. Ich bitte die Mitarbeiter, zu mir zu kommen, wenn sie Unterstützung benötigen.“
[4] Vgl. für eine Begründung der Thesen u. a.: R.K. Sprenger, Vertrauen führt 2007.