2.4. Mitarbeiter im Reifegrad weiterentwickeln

Ein Ziel des erfolgreichen Führens besteht darin, Ihren Mitarbeiter im Reifegrad weiterzuentwickeln. Es ist daher wichtig, dass Sie sich in Ihrem Führungsverhalten variabel zeigen und so aktiv auf die Entwicklung Ihres Mitarbeiters Einfluss nehmen. In dem Maß, in dem der Reifegrad Ihres Mitarbeiters hinsichtlich der Bewältigung einer bestimmten Aufgabe zunimmt, reduzieren Sie dosiert Ihr aufgabenbezogenes, direktives Verhalten und steigern Ihr mitarbeiterbezogenes, unterstützendes Verhalten, bis Ihr Mitarbeiter einen höheren Reifegrad erreicht hat.[1] Für Ihren Mitarbeiter ist es ein positives Zeichen von Vertrauen und Zuversicht, wenn Sie mehr Aufgaben an ihn delegieren und gleichzeitig die Kontrolle reduzieren.

Die Entwicklung des Reifegrads kann in Form einer glockenförmigen Kurve dargestellt werden, die durch die vier Führungsstil-Quadrate verläuft. Diese Entwicklungskurve zu absolvieren, macht einen Großteil Ihrer Führungsaufgabe aus:

Abb. 2: Entwicklung des Reifegrads durch adäquate Führung

Überprüfen Sie Ihre persönlichen Führungssituationen und halten Sie die Ergebnisse schriftlich fest: Wie groß ist Ihr Führungsaufwand bei den einzelnen Mitarbeitern? Stehen Ihre Mitarbeiter in ihrer individuellen Entwicklung dort, wo sie sein sollten? Was sind sinnvolle Maßnahmen für die Entwicklung der einzelnen Mitarbeiter? Beobachten Sie Ihre Mitarbeiter bei der Leistungserbringung und vereinbaren Sie Kontrolltermine zur Information über den Erfüllungsgrad der jeweiligen Aufgabe.

Den Entwicklungszug in Fahrt bringen

Die Entwicklung der Leistungsfähigkeit ist ein Prozess, der eine gewisse Zeit benötigt. Verhaltensänderungen können bei Mitarbeitern in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen. Ihre Aufgabe ist es, den Entwicklungszug in Fahrt zu bringen und Ihre Mitarbeiter durch einen adäquaten Führungsstil nach und nach in den Bereich des Reifegrades 4 zu führen. Je schneller Sie den Zug in Fahrt bringen, desto schneller erreichen Sie bessere Leistungen bei Ihren Mitarbeitern.

Die Entwicklung ist von der Komplexität der individuellen Aufgabenstellung abhängig und erfolgt meist in kleinen Schritten von Reifegrad 1 zu Reifegrad 2 zu Reifegrad 3 und zu Reifegrad 4 (siehe Abbildung 2). Bringen Sie diesen Prozess in Gang, beginnt eine allmählich positive Entwicklung Ihres Mitarbeiters hin zu Leistungssteigerung und Erhöhung des Selbstständigkeitsgrades.

Entwicklung bis zum situativen Reifegrad 4

Um ein von Ihnen erwünschtes Verhalten zu erreichen, müssen Sie jeden Schritt Ihres Mitarbeiters in die gewünschte Richtung belohnen und mit diesem Prozess fortfahren, bis das Verhalten Ihren Erwartungen vollständig entspricht. Das Ziel ist, dass der Mitarbeiter mehr Verantwortung übernehmen kann (und auch will). Um das zu erreichen, reduzieren Sie in einem ersten Schritt das aufgabenbezogene Verhalten und geben Ihrem Mitarbeiter so Gelegenheit dazu, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wird diese Verantwortung sinnvoll genutzt, müssen Sie dies im zweiten Schritt durch ein Mehr an mitarbeiterbezogenem Verhalten verstärken. Diesen Prozess führen Sie so lange fort, bis Ihr Mitarbeiter die gewünschte Leistung erbringt. Das heißt allerdings nicht, dass Ihr Mitarbeiter jetzt weniger Führung braucht; vielmehr wird er selbstständiger sein und sich mehr selbst führen, sodass Sie nicht mehr aktiv eingreifen müssen.

Ist die Entwicklung Ihres Mitarbeiters weit fortgeschritten, beginnt er auch, mehr Zufriedenheit mit seiner Leistungsfähigkeit und mehr Selbstvertrauen zur Lösung von Aufgaben zu zeigen. In diesem Stadium können Sie den Erfolg Ihres Mitarbeiters positiv verstärken, indem Sie ihm nicht mehr über die Schulter schauen, sondern ihn zunehmend selbstständig arbeiten lassen. So wird sich ein Verhältnis einstellen, das von Vertrauen, Wertschätzung und Respekt geprägt ist.

Sie müssen Ihren Mitarbeiter ausreichend kennen, damit Sie Ihren Führungsstil an seine situativ variablen Fähigkeiten anpassen können. Berücksichtigen Sie dabei, dass Ihr Mitarbeiter mit der Zeit spezifische Verhaltensmuster sowie eigene Arbeitsweisen und Gepflogenheiten entwickelt. Sie müssen Ihre Anpassungsfähigkeit immer wieder unter Beweis stellen, da die individuellen Reifegrade je nach Situation täglich, stündlich, ja sogar minütlich schwanken können. Behalten Sie das situative Moment also immer im Blick.

Umgang bei regressivem Verhalten

Sollte Ihr Mitarbeiter sich bei einer spezifischen Aufgabe situativ vom Reifegrad 4 zum Reifegrad 3 entwickelt haben, dann ist das im ersten Moment vermutlich verwunderlich. Doch hier hilft nur, Ihr sozio-emotionales Verhalten zu verstärken, sich Zeit zu nehmen und Ihren Mitarbeiter mit einem positiven Gefühl aus dem Gespräch zu entlassen. Sie zeigen also Führungsstil 3 und coachen Ihren Mitarbeiter. Wenn sich bei dieser spezifischen Aufgabe keine Verbesserung zeigt und Ihr Mitarbeiter weiter im Reifegrad abrutscht, dann bedarf es Ihrer konkreten aufgabenspezifischen Hilfestellung (Führungsstil 2). Dieser Prozess kann im Extremfall wieder zurück zu Führungsstil 1 führen.

Nach diesem Schritt wissen Sie, wie Sie die Entwicklung der einzelnen Mitarbeiter fördern, das heißt, welche Maßnahmen Sie ergreifen, um den Mitarbeiter Schritt für Schritt zum Reifegrad 4 zu führen. 


[1] Vgl. M. K. Hettl: Mitarbeiterführung mit dem LEAD-Navigator®: Erfolgreich und wirksam führen. SpringerGabler, 2013.