2.3 Situative Führung richtig verstehen

Wie wählen Sie nun Führungsansatz und Stil aus? Die Grafik, inspiriert durch eine Diskussion des Autors mit seinem Kollegen René Wagener, zeigt Ihnen die verschiedenen Elemente situativer Führung. Zunächst wird dann erläutert, wo und wie diese greifen. Anschließend erfahren Sie mehr über den jeweils zugehörigen Stil und dessen Vor- und Nachteile. Zudem finden Sie Vorschläge, wie Sie Ihre eigene Führungspräferenz selbst einschätzen können.

Abbildung 1: Führungsansätze und Kompetenz des Mitarbeiters für eine spezifische Aufgabe

Beim Dirigieren und Trainieren haben Sie den aktiven Part in der Führungsbeziehung. Beim Unterstützen und Delegieren wird hingegen vereinbart, dass der Mitarbeiter der Aktive ist: Aus der Bringschuld des Managers wird eine des Mitarbeiters.

Die Zahl der Meilensteine beim Dirigieren und Trainieren ist ebenso wie der Abstimmungsbedarf zwischen Führung und Mitarbeiter hoch. Beim Unterstützen und Delegieren tritt dagegen beides in den Hintergrund. Der Mitarbeitende kann, soll und muss jetzt proaktiv auf den Chef zugehen, wenn er Rückmeldungen haben möchte, wie er eine Aufgabe erledigt hat oder wie gut eine Entscheidung war. Umgekehrt sind die Ergebnisse von Aufgaben und Entscheidungen stets der Führungskraft zu berichten. Denn diese ist und bleibt ergebnisverantwortlich.

Lesen Sie nun mehr über die Ansätze im Einzelnen.

Ansatz 1: Dirigieren

Durch Dirigieren strukturieren und lenken Sie Mitarbeiter kleinschrittig und aufgabenorientiert. Folgende Leitfragen helfen Ihnen dabei, diesen Ansatz umzusetzen:

  • Geben Sie präzise Anweisungen?
  • Beaufsichtigen Sie gewissenhaft, wie eine Aufgabe durchgeführt wird und wie stringent der betreffende Mitarbeiter dabei seine Ziele verfolgt?
  • Kontrollieren Sie dies kleinschrittig und zeitnah?
  • Besprechen Sie in kurzen Zeitabständen und kleinschrittig, welche Maßnahmen wie konkret auszuführen sind?
  • Halten Sie Ihren Mitarbeiter an, seine Tätigkeiten minutiös zu erfassen?

Von Vorteil ist, dass dieser Führungsansatz hinsichtlich des Ergebnistypus für Sie keine Überraschungen birgt. Denn Sie haben ja mit Ihrem Mitarbeiter haargenau vereinbart, was er wie umzusetzen hat. Zweifellos erhöht es das Gefühl der eigenen Sicherheit, dass der Ergebnishorizont exakt Ihren eigenen Vorstellungen entspricht.

Allerdings kostet die Umsetzung dieses Ansatzes viel Zeit: Sie müssen sich intensiv mit den Aufgaben des Mitarbeiters beschäftigen, den Zielen und Maßnahmen, um diese zu erreichen. Sie müssen sich mit ihm oft und eng abstimmen und Meilensteine festlegen. Zudem müssen Sie sich fachlich im Kontext der jeweiligen Aufgabe auskennen, um wirksam zu dirigieren.

Ansatz 2: Trainieren

Agieren Sie wie ein Fußballtrainer am Spielfeldrand: Sie sind im Trainer-Modus unterwegs, wenn Sie Mitarbeiter bei der Ausführung von Aufgaben und Ziele durchgängig im Blick haben. Folgende Leitfragen helfen Ihnen dabei, diesen Ansatz umzusetzen:

  • Beobachten Sie Ihre Mitarbeiter, wie sie eine Aufgabe ausführen?
  • Diskutieren Sie mit Ihren Mitarbeitern, welche nächsten Schritte bzw. Maßnahmen sinnvoll sind, um ein Ziel zu erreichen?
  • Stimmen Sie sich mit Ihren Mitarbeitern in kurzen Intervallen ab?
  • Unterstützen Sie sie dabei zu überlegen, wo und wie Fortschritte zu erzielen sind?
  • Geben Sie Ihre Mitarbeitern Tipps, für die Art und Weise der Umsetzung von Maßnahmen?

Der Vorteil ist, dass Ihre Mitarbeiter direktes Feedback von Ihnen bekommen. So können Ihre Mitarbeiter bei spezifischen Aufgaben rasch selbst unterscheiden, inwieweit sie wirksam bzw. unwirksam agieren. Damit helfen Sie ihnen zu erkennen, wie sie ihren persönlichen Reifegrad bei bestimmten Aufgaben erhöhen können – z. B. bei der Erstellung einer Marktanalyse für einen bislang nicht bekannten Absatzmarkt in den USA. Dieser Führungsansatz eignet sich besonders, wenn Sie Mitarbeitern Methoden, Fertigkeiten und Inhalte näherbringen möchten, die Sie selbst gut beherrschen, aber nicht selbst ausführen möchten.

Andererseits sind Sie wie der Fußballtrainer dauerhaft zeitlich eingebunden. Zudem benötigen Sie – ähnlich wie beim Dirigieren – Fachwissen im Sinn der Sachaufgabe. Anderenfalls können Sie durch Trainieren kaum Wirksamkeit entfalten. Sollten Sie also ausschließlich dirigieren und trainieren, laufen Sie Gefahr, selbst Ihr bester Sachbearbeiter zu sein und zu bleiben: In der Diskussion geben Sie ja zumeist den Weg vor, wie sich ein Ziel erreichen lässt. Außerdem kann es zu einer Rückdelegation kommen: Ihre Mitarbeiter lernen, dass sie mit Fragen, die sie eigentlich mit ein wenig Nachdenken selbst lösen könnten, zu Ihnen kommen können und Sie die Fragen mit Ihnen gemeinsam beantworten. Dieses Verhalten könnte sich einschleifen und zur nicht gewünschten Routine werden.

Ansatz 3: Unterstützen

Unterstützen bedeutet Hilfe zur Selbsthilfe: Ihre Mitarbeiter kommen dafür auf Sie zu, wenn sie einen Austausch zu einem bestimmten Thema benötigen. Und sie berichten ihre Ergebnisse an Sie. Folgende Leitfragen helfen Ihnen dabei, diesen Ansatz umzusetzen:

  • Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter dabei, eine Aufgabe zu erledigen? Stehen Sie bei Bedarf und auf Anfrage für Rückfragen zur Verfügung?
  • Erörtern Sie mit ihnen die Leitplanken, innerhalb derer die Aufgaben (mit entsprechend vorhandenem Freiraum) zu erledigen sind?
  • Geben Sie eine Teilverantwortung für die hierfür nötigen Entscheidungen an Ihre Mitarbeiter ab?

Wenn Sie so führen, übernehmen Ihre Teammitglieder Mitverantwortung dafür, dass und wie eine Aufgabe umgesetzt wird. Nicht zuletzt deswegen brauchen Sie fürs Unterstützen deutlich weniger Zeit als fürs Trainieren oder Dirigieren. Sie müssen zwar die Aufgabenzusammenhänge landkartenartig überblicken. Jedoch brauchen Sie kein Fachexperte mit Detailkenntnis zu sein, um einen Mitarbeiter diesem Ansatz entsprechend zu führen. Besonders Mitarbeiter, die mit bestimmten Aufgaben vertraut sind, schätzen diesen Führungsstil. Denn er ermöglicht Freiräume und Selbstverantwortung, sodass Ihre Mitarbeiter selbstgesteuert die vereinbarten Resultate liefern.

Besteht bei Ihnen jedoch ein großes Kontrollbedürfnis, werden Sie sich mit diesem Führungsansatz womöglich unbehaglich fühlen. Schließlich gibt es weniger Feedbackschleifen zwischen Ihnen und Ihrem Mitarbeiter. Dieser kommt auf Sie zu, Sie aber seltener auf ihn. Zwar muss er Ihnen berichten, welche Ergebnisse er erreicht hat, nicht jedoch, wie genau er dorthin gelangt ist, sofern die Ergebnisse in der gewünschten Qualität und Zeit vorliegen.

Ansatz 4: Delegieren

Vorab: Delegation ist harte Arbeit und kein Abwerfen von Aufgaben. Wenn Delegation funktioniert, dann wurden Menschen dahin entwickelt, a) an sie delegierte Aufgaben zu übernehmen b) und zwar auf Basis ihrer Kompetenzen und c) im Sinne einer Übernahme der Ausführungsverantwortung. Allerdings liegt dabei die Ergebnisverantwortung weiter bei Ihnen als Führungskraft: Sie müssen dafür sorgen, dass delegierte Aufgaben in der erwarteten Qualität und innerhalb des Budgets erledigt werden.

Folgende Leitfragen helfen Ihnen dabei, diesen Ansatz umzusetzen. Sie sollten diese alle mit einem Ja beantworten können, damit Delegation wirksam wird.

  • Ist die zu delegierende Aufgabe klar beschrieben und schriftlich definiert?
  • Verfügt der Mitarbeiter über die entsprechende Fach- und Methodenkompetenz, um die Aufgabe selbstständig umsetzen zu können?
  • Ist der Mitarbeiter mit den entsprechenden Entscheidungskompetenzen im Hinblick auf Ressourcen ausgestattet (z. B. Geld, Maschinen, Arbeitszeit weiterer Mitarbeiter), um die Ausführung sicherstellen zu können?
  • Will der Mitarbeiter die Verantwortung für die Ausführung der zu delegierenden Aufgabe übernehmen?

Vor allem Mitarbeiter, die für bestimmte Aufgaben über einen hohen Reifegrad verfügen und eventuell zugleich ein starkes Freiheitsbedürfnis haben, können durch Delegieren wirksam geführt werden. Ein Vorteil ist, dass dies wenig Koordinationszeit braucht: Der Mitarbeiter läuft von alleine. Der Weg dorthin ist jedoch harte Arbeit. Wenn Sie ihn aber beschreiten, lernt der Mitarbeiter, seine Arbeit und Leistung erfolgreich selbst zu steuern.

Delegieren hat den Nachteil, dass Sie Ihren Mitarbeiter ausschließlich über das Ergebnis lenken und sich mit ihm wenig über den Weg zum Ziel unterhalten. Je nachdem, wie stark Ihr Kontrollbedürfnis ist, kann dies Sie emotional herausfordern. Denn Sie wissen im Vorhinein nicht, ob das Ergebnis korrekt und gut sein wird. Hier können Ihnen ggf. rasche, geschlossene Feedbackkreisläufe vorab zusätzliche Sicherheit geben, dass dieser Führungsansatz für diesen Mitarbeiter und diese spezifische Aufgabe der wirksamste ist.