Als letzter Punkt liegt nun noch die Klärung Ihrer Interessen an. Schließlich soll die Verhandlung ja Ihre Interessen soweit wie möglich befriedigen oder zumindest Ihren Interessen nicht zuwider laufen. Das sind vielleicht auch genau die, die man nicht öffentlich diskutiert oder ohne Weiteres verbreitet – und die gerade deswegen von erheblichem Einfluss sein können.
Dieses Interessenbündel lässt sich in einer Tabelle übersichtlich gliedern.
Bevor wir uns damit beschäftigen, sind noch ein paar Betrachtungen zum Begriff der „Position“ anzustellen.
Wenn Sie in eine Gehaltsverhandlung gehen, haben Sie ganz sicher eine Position, z. B. Aufstockung um 5.000 Euro pro Jahr.
Aber warum nicht nur 4.000 Euro oder doch lieber 8.000 Euro? Ohne stichhaltige Begründung sagen einzelne Positionen wenig aus und wirken wie mal eben so dahingesagt.
Der Grund dafür ist die fehlende Klärung der zugrunde und dahinter liegenden Interessen! Erst durch Ihre spezifische Interessenlage ergibt die Aufstellung einer Position für Sie einen Sinn – vorher nicht! In diesem Sinne ist eine Position nur EINE Möglichkeit, Ihre Interessen abzudecken, mehr nicht. Für einen Anderen mit unterschiedlicher Interessenlage käme genau diese Position nicht in Frage.
Deshalb kann auch eine Position kein Ziel sein, sondern ist immer nur als ein Mittel zu Befriedigung Ihrer Interessen anzusehen bzw. verstehen. Abgesehen davon kann man Positionen nicht verhandeln. Man kann auf Ihre 5.000 Euro-Forderung eingehen – oder auch nicht. Danach feilscht man um den „richtigen“ Betrag, aber das hat mit Verhandeln nicht viel zu tun.
Dem steht nicht entgegen, dass vermutlich die Mehrzahl aller Übereinkünfte durch Feilschen erreicht wird. Aber dabei wird nur verteilt, nicht wirklich verhandelt.
Im Beispiel der obigen Gehaltsverhandlung könnte ja auch eine Kombination Gehaltszuwachs/ Dienstwagen infrage kommen, um Ihre Bedürfnisse und Interessen deutlich besser zu befriedigen.
Den Prozess der Interessenklärung wird in einer zweistufigen Tabelle dargestellt.
Tragen Sie in die erste Spalte Ihre persönlichen Interessen ein. Zu jedem genannten Punkt (z. B. mehr Geld) fügen Sie danach die dahinter liegenden Interessen als Antwort auf die Frage „Warum bzw. zu welchem Zweck mehr Geld?“ ein.
Im nächsten Schritt verteilen Sie in Spalte 3 für die „relative Bedeutung“ 100 Punkte auf alle gefundenen Antworten bei „dahinter liegende Interessen“. Damit erreichen Sie eine Abstufungs- und Ausgleichsmöglichkeit, die Sie genau dann dringend benötigen, wenn Sie sich entscheiden müssen. Im letzten Schritt können Sie mögliche „alternative Interessen“ einbringen. Dabei hilft Ihnen die „relative Bedeutung“, sich zunächst auf den wichtigsten Aspekt (hier: berufliche Anerkennung) zu konzentrieren.
Im Beispiel hat der Dienstwagen – vielleicht in Kombination mit einem Gehaltssprung – die größte Interessenabdeckung aufzuweisen.
Persönliche Interessen | Dahinter liegende Interessen/ Gründe | Relative Bedeutung | Alternative Interessen / Lösungsoptionen |
Mehr Geld | Angemessene Lebensführung | 20 | Keine |
Faires Einkommen | 10 | Vergleich mit gleichwertigen Tätigkeiten | |
Sichtbare Anerkennung im privaten Bereich | 30 | Dienstwagen | |
Anerkennung im beruflichen Bereich | 40 | Kurzfristig: Forcierte Weiterbildung (Marktwertsteigerung) eigenes BüroDienstwagen eigener ParkplatzHome-Office-Möglichkeit Mehr Urlaub Langfristig:Aussicht auf Beförderung |
Private Interessen liegen jedoch nicht immer in sozialkompatibler Form vor. Auch Interessen, die Sie – wie im Folgenden gezeigt – dem Unternehmen nicht gleich offenbaren möchten, können für Sie persönlich hochrelevant sein.
Als Beispiel sei ein Motivationsproblem aufgegriffen, das ein Verhandler in einem schwierigen Unternehmensumfeld haben kann:
Persönliche Interessen | Dahinter liegende Interessen / Gründe | Relative Bedeutung | Alternative Interessen/ Lösungsoptionen |
Motivationsschwäche beheben | Fast vollzogene innere Kündigung | 10 | Keine |
Absprung zu neuem Unternehmen planen | 40 | Gute Referenzbasis Gutes Zeugnis / Beurteilung erforderlichGgf. frühere Freigabe nötig | |
Schwieriger Vorgesetzter | 30 | Keine | |
Mangelnde Anerkennung | 20 | keine |
In der Tabelle stehen zunächst die auf die Frage nach dem „Warum?“ gefundenen Interessen bzw. Beweggründe. Schnell leuchtet ein, dass an der verfahrenen Situation kaum etwas zu ändern sein dürfte. Trotzdem ergibt die Beurteilung der alternativen Interessen bzw. der Lösungsoptionen einen deutlichen Hinweis, dass es taktisch klug sein könnte, sich in der anstehenden Verhandlung voll zu engagieren, um das übergeordnete Zielinteresse (hier den erfolgreichen Ausstieg) nicht zu gefährden.
Wenn Sie alle aufgeführten Schritte ehrlich und ausreichend detailliert bearbeitet haben, sollten Sie nun mental bestens für die nächste Verhandlung gewappnet sein!