2.2.a. Reifegrad erkennen

Der Reifegrad Ihres Mitarbeiters bestimmt dessen Selbstständigkeit und ist das zentrale Bindeglied zu den Führungsstilen. Seien Sie sich darüber bewusst, dass der Reifegrad eines Mitarbeiters kein Charaktermerkmal ist! Er ist auch keine Wertung einer Person nach Charakter, Werten, Alter oder Ähnlichem. Ein hoher oder niedriger Reifegrad ist kein grundsätzliches Qualitätsmerkmal, sondern signalisiert Ihnen lediglich, wo sich Ihr Mitarbeiter in der Entwicklung gerade befindet und wie er daher geführt werden sollte.

Fähigkeit und Willigkeit

Der Reifegrad Ihres Mitarbeiters ergibt sich einerseits aus seiner Ausbildung, seinen Kenntnissen und Erfahrungen, also aus seiner Fähigkeit. Andererseits spielt die Willigkeit eine Rolle, also die Motivation und das Engagement sowie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Diese beiden Faktoren bestimmen den Selbstständigkeitsgrad eines Mitarbeiters und beschreiben seine Bereitschaft, sich hohe und erreichbare Ziele zu setzen und Verantwortung für die Zielerreichung zu übernehmen – oder eben nicht.

Unterschiedliche Reifegrade in unterschiedlichen Situationen

Der Reifegrad beschreibt, inwiefern Fähigkeit und Willigkeit Ihres Mitarbeiter momentan und auf eine konkrete Aufgabe bezogen ausgeprägt sind. Die beiden Kriterien legen somit fest, ob Ihr Mitarbeiter die nötigen Fähigkeiten zur Erledigung der Aufgabe mitbringt und ob er das nötige Selbstvertrauen hat, die Aufgabe auch erfolgreich zu erledigen. Ihr Mitarbeiter zeigt dabei unterschiedliche Reifegrade in unterschiedlichen Situationen. So ist es durchaus möglich, dass beispielsweise ein Verkäufer, der bei seinen Kundenbesuchen durch einen hohen Reifegrad besticht, beim Ausarbeiten und Formulieren von Kundenofferten ein weitaus geringeres Maß an Reife zeigt. Daraus ergibt sich, dass Sie ihm in Bezug auf seine Kundenbesuche kaum Anweisungen und Hilfe zu geben brauchen. Für den Bereich der Offerten-Ausarbeitung müssen Sie ihn hingegen an die Hand nehmen, klare Vorgaben machen und in Feedbackgesprächen prüfen, ob er sich daran hält.

Reifegrad ist demonstriertes, beobachtbares Verhalten

Als Führungskraft sind Sie für die situative Einschätzung verantwortlich und Ihre Einschätzung darf sich im Sinne des erfolgreichen Führens nur an Fakten, nur an sichtbaren Ergebnissen orientieren. Es geht dabei immer um Ihre Sicht und nicht darum, wie Ihr Mitarbeiter seine Reife beurteilt. Wichtig ist, dass Sie den Reifegrad anhand des demonstrierten, beobachtbaren Verhaltens einschätzen. Befassen Sie sich nicht mit einem möglichen Potenzial bzw. einer Absichtserklärung. Die Frage ist, ob und im Rahmen welches Führungsstils Ihr Mitarbeiter die gegebene Aufgabe in der momentanen Situation erfolgreich bearbeiten kann. Hüten Sie sich davor, zu viel in den Mitarbeiter hineinzuinterpretieren („Eigentlich müsste er das können“). Wenn er es „eigentlich können müsste“, dann muss er den Beweis dafür in Form von entsprechendem Engagement und konkreten Ergebnissen erbringen.

Momentane situative Reife ist entscheidend

Obwohl sich Fähigkeit und Willigkeit voneinander unterscheiden, beeinflussen sie sich wechselseitig. Das Ausmaß, in dem Ihr Mitarbeiter zuversichtlich ist bzw. Verpflichtung und Motivation zeigt, beeinflusst seine momentane Fähigkeit. Umgekehrt gilt ebenso: Der Umfang des Wissens, der Erfahrung und des Könnens beeinflusst die Willigkeit. Eine bedeutende Veränderung in einem Bereich hat Einfluss auf den Reifegrad im Ganzen. Daraus ergeben sich die unten genannten möglichen Reifegrade.