2.1.a Den Unterschied zwischen Fragen und Aussagen verstehen

Sie kennen vermutlich den Satz: „Wer fragt, führt.“

In diesem Abschnitt erfahren Sie, warum die Gesprächsführung erfolgreicher, weil zielführender sein kann, wenn Sie weniger häufig fragen.

Risiken und Nebenwirkungen von Fragen vermeiden 

Üblicherweise fragen wir, wenn wir etwas wissen wollen. Im Dialog soll uns die erfragte Antwort helfen, den Gesprächspartner zu verstehen. Doch oftmals erreichen wir das Gegenteil: Der Befragte spürt Druck, sich erklären zu müssen. Dann ist er versucht, die Antwort unreflektiert zu schönen, um in einem guten Licht zu erscheinen bzw. um das eigene Selbstbild zu bewahren. 

Wie geht es Ihnen, wenn Sie beispielsweise bei einer Entscheidung zögern und unvermittelt gefragt werden: „Sind Sie unsicher?“ Fällt es Ihnen da leicht zuzugeben, dass Sie unsicher sind? Wer will schon zugeben, dass er unentschlossen ist? Prompt fällt die Antwort eher so aus: „Nein, ganz und gar nicht. Ich denke nur nach.“ Das klingt schlüssig und ist doch nichtssagend. Wer auf eine Frage nicht vorbereitet ist, gerät möglicherweise unter Druck, verbunden mit negativen Empfindungen. Seine Antworten werden dann vor allem darauf abzielen, weiteren Fragen auszuweichen. Die Antworten mögen sich rational und nachvollziehbar anhören, können aber auch schroff und abweisend sein – ein Beispiel: „Das habe ich Ihnen doch schon x-mal erklärt. Wieso fragen Sie noch?“

Fragen sind folglich nur zielführend, wenn der Befragte bereit und offen ist, darauf einzugehen. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, sind Fragen – und seien sie noch so differenziert – stets mit dem Risiko verbunden, Antworten zu provozieren, die sozial erwünscht klingen, einen also gut dastehen lassen.
Beherzigen Sie das konsequent und halten Sie vor jeder Ihrer Fragen kurz inne, um sich zu überlegen, wie bereitwillig und aufgeschlossen Ihr Gegenüber wohl darauf eingehen wird. Dabei werden Sie entdecken, dass Sie auf drei von vier Fragen verzichten können, weil die Grundvoraussetzung für einen echten Dialog überhaupt nicht gegeben ist.

Möglichkeiten und Nebenwirkungen von Feststellungen nutzen 

Wer weniger fragt, muss nicht schweigen. Das Sagen steht gegen das Fragen. Wenn wir etwas mitteilen, teilen wir auch immer etwas über uns selbst mit, insbesondere über das, was uns gerade beschäftigt. Dadurch wird unser Gesprächspartner in unsere Gedankenwelt einbezogen. Das führt in der Regel zu einer Reaktion, die weit über das hinausgeht, was durch eine Frage erreichbar wäre. 

Natürlich kann man einen Mitarbeiter direkt fragen, „Wann wollen Sie Urlaub machen?“ und die Antwort „vom 1. bis 21. August“ anschließend in den Jahresplaner eintragen. Ganz anders entwickelt sich das Gespräch jedoch, wenn Sie statt der Frage eine Mitteilung machen: „Ich sitze gerade über der Urlaubsplanung und weiß gar nicht, wie Ihre Pläne dieses Jahr sind.“ Auch hier kann die Reaktion knapp ausfallen. Erfahrungsgemäß erfahren Sie jedoch wesentlich mehr, beispielsweise: „Na ja, eigentlich wollten wir die drei ersten Ferienwochen nehmen, wobei ich noch überlege, ob meine Frau mit den Kindern die ganze Zeit fährt und ich nur 14 Tage nehme, dann hätte ich noch Urlaubstage für die Herbstferien übrig.“ Sie sehen, dass durch den Verzicht auf eine direkte Frage sich statt des mechanisch-kurzen Frage-Antwort-Spiels rasch ein längerer Gedankenaustausch ergeben kann.

Mit dieser Herangehensweise fördern Sie nicht nur beim einfachen Informationsaustausch die Gesprächsbereitschaft. Sie erzielen darüber hinaus eine besondere Wirkung beim Ansprechen von Gefühlen. Wenn Sie offen ansprechen, was Sie gerade beim Gegenüber bemerken, zeigen Sie Resonanz, sind also empfänglich für dessen Empfindungen.

Aus dem knappen „Sind Sie unsicher?“ wird ein längerer Satz: „Ich habe gerade den Eindruck, dass Sie noch unschlüssig sind. Vielleicht waren meine Erklärungen verwirrend.“ Allerdings entfaltet dieses Vorgehen nur dann seine volle Wirkung, wenn Sie ohne wertenden Unterton, aus einer akzeptierenden Grundhaltung heraus sprechen. Dann hat der Tonfall etwas geradezu Beiläufiges. Dadurch vermitteln Sie: Es ist das Normalste von der Welt, so zu denken oder sich so zu fühlen, wie Ihrem Gesprächspartner gerade zumute ist. Diese akzeptierende Haltung löst im anderen das Bedürfnis aus, sich zu erklären. Und dafür bedarf es erstaunlicherweise keiner Fragen.

Betrachten wir den Unterschied: Ein Mitarbeiter wird gefragt, ob er bereit wäre, das Team zu wechseln, um in einer anderen Gruppe eine Krankenvertretung zu übernehmen und erwidert: „Ausgerechnet jetzt, ich weiß nicht, also das passt gerade ganz schlecht.“ Der Vorgesetzte wird dann vermutlich fragen: „Warum passt das denn nicht?“ – und erhält prompt eine sachliche Antwort: „Weil wir gerade mitten in der Abschlussdokumentation sind. Wenn ich da ausfalle, können wir den Zeitplan unmöglich einhalten.“ Klingt nachvollziehbar. Doch wie entwickelt sich das Gespräch, wenn der Mitarbeiter bemerkt, dass seine Äußerung nicht nur gehört, sondern auch ernst genommen wurde?

Im Aussagemodus hört sich das dann vielleicht so an: „Sie klingen gerade unschlüssig und sind von meinem Ansinnen ganz und gar nicht begeistert.“ Mit dieser Erlaubnis fährt der Mitarbeiter prompt fort: „Stimmt, ich wollte bei der Abschlussdokumentation unbedingt dabei sein. Sonst war der ganze Einsatz umsonst.“ Der Vorgesetzte versteht noch nicht, was der Mitarbeiter damit genau meint, fragt aber nicht nach, sondern wiederholt schlicht: „Sie sagen umsonst“ – und lädt den Mitarbeiter zu weiteren Erklärungen ein, beispielsweise: „Na ja, wer nicht bis zum Schluss dabei ist, wird üblicherweise noch nicht einmal im Abschlussbericht erwähnt.“ Die Gesprächsbereitschaft und die weitere Entwicklung des Dialogs hängen davon ab, wie gut es gelingt, dem Gegenüber mit ruhiger Selbstverständlichkeit zu vermitteln, dass genau das, was er gerade ausspricht – sei es Kritik, Bedenken oder auch Ärger – seine Berechtigung hat.

Im Aussagemodus könnte das Gespräch so weiter gehen: „Sie machen sich Sorgen, dass Sie ausgebootet werden, weil ich Sie just zum falschen Zeitpunkt aus Ihrem Team ziehe.“ „Stimmt, in der Vergangenheit war das meistens so, dass nur die Kollegen namentlich erschienen, die bis zuletzt mitgemacht haben. Aber vielleicht könnten Sie da ja was regeln, dann würde ich mich mit dem Wechsel leichter tun.“ Statt den Mitarbeiter von der Notwendigkeit eines Teamwechsels zu überzeugen, lässt der Vorgesetzte diesen eine eigene Lösung vorschlagen und deckt Hintergründe auf, die durch Fragen kaum zu erfahren gewesen wären.

Was im ersten Moment wie eine Unterstellung aussieht, ist bei genauerem Betrachten lediglich ein Beschreiben dessen, was ohnehin sicht- und hörbar vorliegt. Wer beispielsweise fragt: „Bist du jetzt sauer?“ hat doch irgendetwas bemerkt, was zu dieser Frage führte. Das lässt sich auch direkt ansprechen: „Ich merke gerade, dass du sauer bist.“

Formulieren Sie Ihre Feststellungen stets in einem akzeptierenden Tonfall der Selbstverständlichkeit, so muss sich der Angesprochene nicht für sein Gefühl rechtfertigen oder es vertuschen. Stattdessen kann er direkt erklären, was los ist:

„Ja, mich regt fürchterlich auf, wenn…“ oder auch „Nein, ich bin nicht sauer, sondern ich bin enttäuscht, dass…“ Bei dieser Art von Gesprächsführung kommt es gar nicht darauf an, stets ins Schwarze zu treffen und die Gefühlslage des Gesprächspartners detailgetreu zu erfassen. Liegen Sie richtig, wird Ihr Gegenüber zustimmen und mit weiteren Erklärungen fortfahren. Liegen Sie daneben, spürt der andere doch Ihr Bemühen, ihn verstehen zu wollen. Darum folgt im Regelfall – auch nach einer Verneinung der Aussage des Gesprächspartners – stets die erklärende Richtigstellung.